Tote für die Quote – RAFFZEIT beim Kirchentag 2005
Jun 1st, 2005 | By | Category: AllgemeinWas passiert, wenn vier Kindergartenfreunde, die sich zu kennen glauben, gemeinsam – und gegeneinander – in einer Fernsehshow um 1 Millionen Euro kämpfen?
Die Regeln sind unglaulich einfach: Es geht um eine Millionen Euro. Dazu gehen die Kandidaten in vier Runden in den Biohilator, er versetzt sie in ihre Rolle und in die entsprechende Zeit. Wer seine Rolle am Überzeugsten spielt, wird von der Sponsorenjury und via TED gewählt.
Die vier Freunde sind sich einig: Wer auch gewinnt, das Geld wird geteilt.
Und schon befinden wir uns in der Wüste des vorderen Orients. Ronja ist Tochter eines Händlers und soll verkauft werden. Ein Kamel sollte dafür schon rüber kommen. Die strenge Mutter Kati findet die Entscheidung des Händlers Dany gut und schon stehen sie gegen Ronja und ihre heimliche Liebe – den Sklaven Sascha. Mit einer List können die Verliebten entkommen und schon ist die erste Runde gewonnen. Erstaunlich einfach, so schwer kann´s also nicht werden.
Das Blatt hat sich gewandelt, aus der Gameshow wird vor unseren Augen ein brutaler Albtraum. Ronja bricht zusammen. Dany steht zu seiner Tat. Schließlich war es seine Rolle – und die hat er überzeugend gespielt. Ich muss schlucken.
Runde drei: Paris, die aufkeimende französische Revolution verläuft erstaunlich ruhig und gibt Chance zum Verschnaufen.
Und schon sind wir im Dschungel der Runde vier. Es gilt: Indianer gegen Besatzer. Der Frieden scheint perfekt. Ein Versöhungsgeschenk von Besatzer Dany und Häuptling Sascha nimmt an. 1 Minute später. Dany zündet die Bombe. Alle sind tot.
Der Sieger… Gehrmann beschließt eine fünfte Runde. Drei Freunde bei den Nordern. Dazu der Gewaltverebrecher Broder samt Pistole. Norder: Gefühlskalt. Der Obernorder: Dany. Seine Mission: „Lebendig sizieren“. Siziertisch, die weißen Gestalten schnallen Sascha fest. Gehrmann jubelt. Die Quote dankt. Lebendig sizieren…
Auf erschreckende und eindrucksvolle Weise präsentiert das Ensemble des „Netzwerk Junges Musiktheater“ ihre Version zu einer kommerzialisierten Fernsehwelt in der ein Leben weniger zählt als der Händedruck des Sponsors. In der ein Harry Gehrmann gefeierter Medienstar ist und „jeder Tote bringt Quote“ das Motto ist.
Ronja alias Johanna Bularzcyk scheint mit ihrer Stimme nichts unmöglich zu sein und Kersten Augustion als Dany, der binnen weniger Minuten erstaunliche Abgründe seiner Psyche offenlegt sind dabei nur einige Highlights der vielversprechenden jungen Talente der „Pilotschule Kultur“ in Hamburg.
Ich denke, wir sprechen im Namen aller Zuschauer, wenn wir an dieser Stelle noch einmal DANKE für eine unglaubliche, tiefgründige und mitreißende Produktion auf dem Kirchentag sagen. Wir freuen uns auf Euch in Köln 2007.
[Text: ballrock2 | Fotos: juggler]