Als Jeans noch Farmerhosen waren

Aug 12th, 2002 | By | Category: Allgemein

Grete Josewski hat ihre allererste Jeans aus dem Versandshop bis heute aufbewahrt

(ha) Ein halbes Jahrhundert schlummerte der Schatz fast schon vergessen in der Wäschetruhe von Grete Josewski. Doch der HAZ-Artikel über abgewetzte Jeans, die in einem ausgeklügelten Recyclingverfahren zu Innenverkleidungen für neue Auto werden, rief in der pensionierten Lehrerin aus Diekholzen die Erinnerung wach. Eine richtig alte Jeans, ein lieb gewordenes Relikt aus längst vergangenen Mädchentagen:Eine solche Hose hatte sie über all die Jahre doch treu bewahrt!

„Damals hießen sie allerdings noch nicht Jeans, sondern Farmerhosen“, erzählt die 74-Jährige. Damals, das war zu Beginn der 50er Jahre, als das Nachkriegsdeutschland den Neubeginn wagte und mit bewunderndem Staunen die vielen fremdartigen Moden der amerikanischen Besatzungssoldaten beäugte. Zwar hatten Stars wie Marlene Dietrich längst das Tabu gebrochen und das als maskulin verpönte Beinkleid feminin zur Schau gestellt, doch die Frauen auf der Straße trugen noch immer Röcke.

Grete Josewski denkt noch immer an ihre beschwerliche Zugspitzbesteigung „in einem ganz unpraktischen kurzen Röckchen“ und an ihre langen Fußmärsche quer durch Lappland:In einer alten Trainingshose mit Gummizügen an den Knöcheln, die sie als Überbleibsel aus ihrer Zeit in der Jungmädelschar in die neue Welt hinüber gerettet hatte und die in ihrer Anmutung alles andere als modisch aufregend war. In jenen Jahren wohnte sie in Groß Ilde, arbeitete als Lehrerin im Schuldienst. Schon als Kind hatte sie den sehnlichen Wunsch, einmal selbst ein Flugzeug zu steuern.

Nachdem die Alliierten das Flugverbot aufgegeben hatte, nahm sie Flugstunden – und hatte überhaupt keine Lust „auf diese Schlabberhosen“ am Steuerknüppel. Eine Kleinanzeige in einer Illustrierten brachte die Lösung:Dort wurden besagte Farmerhosen angeboten, als Versandware, wahrscheinlich direkt aus den USA importiert.

Damals hatten Damen-Jeans noch keinen Reißverschluss in der Mitte, sondern Knöpfe an der Seite. Die Nähte waren rot gesteppt, metallene Nieten machten das gute Stück unglaublich stabil. Und dann das Material:“Sehr fein und ganz dicht gewebt, einfach unverwüstlich“, gerät Grete Josewski noch heute ins Schwärmen. „Eine solche Hose hatte sonst niemand.“

Nachdem sie geheiratet und sechs Kinder zur Welt gebracht hatte, war ihr die heiß geliebte Jeans in Konfektionsgröße 38 zwei Nummern zu klein geworden. In die Tonne werfen wollte sie die Hose dennoch nicht. Nach der Babypause arbeitete Grete Josewski noch viele Jahre als Lehrerin, war in Bockenem, Algermissen, Diekholzen, an der Musikschule und in der Volkshochschule – Röcke blieben nicht zuletzt wegen ihres Berufes bevorzugtes Kleidungsstück.

Doch ihre Liebe zur Nietenhose hat sich die Dame im vorgerückten Blue-Jeans-Alter bis heute bewahrt. Auch heute noch schlüpft sie in die stabilen Blauen, wenn sie zu einem Spaziergang durch den Hildesheimer Wald aufbricht. So erinnerungsbeladen wie die Jeans aus der Versandanzeige aber sollte keine der Nachfolgerinnen mehr werden.

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